Auflösung (2018)

Miniatur für Streichquartett

UA 2018 by Amar Quartett - www.amarquartett.ch

In seiner Miniatur für Streichquartett befasst sich Tobias Meier mit einer Auflösung auf verschiedenen Ebenen:

Ausgehend der Erfahrung des Komponisten, sich selber im Prozess scheinbar aufgelöst zu haben, versucht er, im Stück den Komponisten aufzulösen und gibt nur noch eine minimale Spielanleitung vor. Diese besagt im Grunde nur, dass ein Ensemble besteht, sich daraus eine einzelne Stimme erhebt und diese schliesslich wieder im Ensemble verschwindet. Die vorgegebenen Tonhöhen und Artikulationen sind zwar gegeben, jedoch nicht inhaltgebend. Der Fokus soll durch die Vorgaben weg vom tatsächlich Gespielten hin zum Ensemble und zur Performance lenken.

Im Kern des Stücks steht ein Solo, welches bei jeder Aufführung ein/e andere/r Spieler/in übernehmen soll. Die Entscheidung hierfür (dasselbe gilt auch für den Schluss) soll im Moment geschehen und nicht vorher abgesprochen sein. Die sozialen Prozesse von Verantwortung übernehmen, unterstützen, gehen lassen, erzählen und zuhören kommen hier zum Vorschein. Entscheidungen müssen sowohl getroffen, wie auch vom Gegenüber aufgenommen und gestützt werden. Das soziale System (das Ensemble) funktioniert in diesem Moment nur, wenn sich diese Energien in Balance befinden und weder nur erzählt noch nur zugehört wird.

Das Solo basiert auf einem einzelnen Ton, der so frei wie möglich gestaltet werden soll. Wie schon vorher geht es am wenigsten um diesen tatsächlichen Ton. Der/die Solist/in soll sich dadurch nicht zu einer Virtuosität gezwungen fühlen, welche ihrerseits Aufmerksamkeit auf sich lenken würde. Es geht einzig um die reine Gestaltung, um die Befreiung von allen Zwängen und so schlussendlich um den reinen Ausdruck der/des Spielers/in.

Es haben sich also der Komponist, später der Notentext aufgelöst. Nun löst das Stück auch noch im Kern sich selber auf. Durch die Vorgabe, dass bei jeder Aufführung ein/e andere/r Spieler/in das Solo übernimmt und durch die gleichzeitige Voraussetzung, dass das Stück nur einmal aufgeführt wird, bleibt die Performance eine Möglichkeit des Stücks, welche niemals komplett oder abgeschlossen sein wird.

Was bleibt übrig? Es bleibt eine Idee, es bleibt der Moment, doch selbst diese sind flüchtig. Am Ende bleiben nur noch vier Menschen in einem gemeinsamen Raum. Und darum geht es – wenn sich alles rundherum aufgelöst hat, so erkennt man alleinig das Amar Quartett in einem Raum.